Neueinspielung WTK von J.S. Bach

„Davon gibt es ja schon hunderte Aufnahmen – da kann eigentlich nichts Neues mehr entstehen!“

Und doch, so ist es: Andrei Gavrilov liefert gleich 2 Aufnahmen der meisten Präludien und Fugen!

Die CDs und die Online-Portale werden vermutlich im September / Oktober angeboten.

Das besondere: Sehr vieles.

Nichts weniger als ein völlig neuer Umgang mit der Polyphonie – basierend auf einem meist sehr hohen Tempo.

Es gibt bereits einige „Amateur-Probeaufnahmen“ die andeuten, wie das „neue“ Tempo plötzlich Stimmführungen deutlich werden lässt, die häufig durch zu geringes Tempo in der Wahrnehmung eines Musikliebhabers untergehen, weil das normal geschulte Gehirn z.B. den Beginn einer Phrase schon wieder vergessen hat.

Wenn die Phrase aber extrem sauber bei hohem Tempo gespielt wird kann der Effekt eintreten, dass die Phrase komplett wahrgenommen wird.
Damit wird Gavrilov seinem Programm „Unzipped Classical Music“ auf innovative Art so gerecht, wie ich bisher bei wenigen Aufnahmen überhaupt erlebt habe. Und das — wie gesagt — sind erst Probeaufnahmen mit mittelmäßiger Technik und Instrument.

Ergo: Man darf auf die „richtigen“, professionellen Aufnahmen extrem gespannt sein!

Man könnte sich fragen, ob es Ähnlichkeiten zu anderen Aufnahmen gibt. Das ist nur sehr schwer zu sagen, da der letztlich komplett neue, umfassende Ansatz nicht nur durch ein schnelles Tempo hervorsticht, sondern auch im Anschlag, in der Phrasierung etc. neue Konzepte mit sich bringt.

Was auf jeden Fall deutlich wird ist eine „Ent-Romantisierung“. Das große Ziel scheint eine „Klarheit“ zu sein, die viele Aufnahmen der letzten 30 Jahr vermissen lassen.

Ab und zu erinnern mich die Probeaufnahmen Gavrilovs an die eine oder andere Idee von Edwin Fischer (der übrigens z.B. das Präludium 2 c-moll auch sehr schnell interpretiert hat und eine ent-romantisierte Klarheit im Vordergrund stand).

Wenn nun Gavrilov ein Vorwurf bezüglich der schnellen Tempi gemacht wird erinnere ich mich sehr wohl an Diskussionen aus meiner frühen Unterrichtszeit (1984ff), dass möglicherweise viele Werke von Bach und Zeitgenossen viel schneller von den Komponisten gespielt wurde, weil das Gegengewicht eines Clavicords  viel geringer war als von einem heutigen Konzertflügel. Dies ermöglicht rein mechanisch betrachtet einfacher ein schnelles Spiel…

 

Ich freue mich v.a. auf eine neue Diskussion zu Bach-Interpretationen, die Andrei Gavrilov mit den neuen Aufnahmen mit Sicherheit lostreten wird!

 

Hier sie über die Veröffentlichung auf dem neuesten Stand gehalten.